Burnout - Warum NPO-Mitarbeitende besonders gefährdet sind

Manchmal kann es passieren, dass uns Druck und Stress zu viel werden und wir daran erkranken. Gerade jetzt, wo eine Krise die nächste ablöst, ist die psychische Belastung hoch. NPOs müssen mit immer knapper werdenden Ressourcen arbeiten und so manche*r Mitarbeitende ächzt unter dem hohen Arbeitsaufkommen. Mich selbst hat 2022 die Diagnose Burnout ereilt. In diesem Artikel erzähle ich nicht nur über meine persönlichen Erfahrungen, sondern zeige auch die Besonderheiten der Arbeit in NPOs in Bezug auf das Thema auf, um dafür zu sensibilisieren. 

 

Verstärkt in das Wohlergehen des Teams investieren

Im 2022 Non-Profit Pulse Report der EFA geben 48 % der Befragten an, dass das erhöhte Arbeitsaufkommen in der krisenbelasteten Zeit derzeit ihr größtes Problem ist. Gleichzeitig sehen 31 % die Unterstützung der Mitarbeitenden und ihres Wohlergehens als eine wichtige Herausforderung an. Da wundert es nicht, dass 26 % damit zu kämpfen haben, ihre Mitarbeitenden zu halten.

Ich spürte fast drei Jahre vor der Diagnose erste Anzeichen und erstmals den leisen Wunsch, mich beruflich zu verändern. Der kleine gemeinnützige Verein, in dem ich damals arbeitete, lag (und liegt!) mir sehr am Herzen. Ich wurde dort gebraucht und ich empfand Sinn bei meiner Arbeit. Gleichzeitig zu dieser Anstellung hatte ich noch einen zweiten Arbeitgeber, der grundsätzlich anders mit mir als Mitarbeitender und auch mit meiner Erkrankung umging. Diese Unterschiede gaben den Ausschlag dafür, mich mehr mit den Besonderheiten von NPOs auseinanderzusetzen.

Immerhin geben im oben zitierten Report auch 2 von 5 Befragten an, dass ihre Organisationen Fokus und Investitionen in das Wohlergehen der Mitarbeitenden verstärkt haben. Das ist gut und wichtig – denn nur ein gesundes Team, das sich wohl fühlt, kann auch gute Arbeit machen und Stabilität gewährleisten. Trotzdem wäre es besser, wenn diese Zahl noch weiter nach oben steigt.

 

Balkendiagramm zu den größten Herausforderungen von Nonprofits
Quelle: 2022 Non-Profit Pulse Report

 

Warum NPO-Mitarbeitende besonders gefährdet sind

 

1. Selbstvergessenheit

Ausbrennen kann man bei jeder Arbeit. Aber gerade in Non-Profits empfinden Menschen eine starke Verbundenheit mit dem Sinn & Zweck, was auch ins Negative umschlagen kann. Wer für einen Zweck brennt, empfindet ein hohes Verantwortungsgefühl. Das kann darin resultieren, dass Self Care völlig untergeht und man seine eigenen Bedürfnisse aufopfernd und selbstvergessen dem Zweck unterordnet.

Hinzu kommt die Tatsache, dass die Arbeit einer NPO nie zu Ende ist: “Die große Problematik im sozialen Sektor ist ja, dass die Arbeit niemals so ganz getan ist: Es gibt immer noch mehr zu helfen und zu tun”, schreibt Medje Prahm in ihrem Gastartikel bei Skala Campus. Damit wird es nach ein paar Jahren zunehmend schwieriger, die eigene Hoffnung aufrechtzuerhalten. 

Außerdem hat man in einer NPO jeden Tag mit sozialen, ökologischen oder ökonomischen Missständen der Gesellschaft zu tun. Einfach mal ein paar Tage abschalten und bad news zu meiden klappt da nicht. Das ist eine nicht zu unterschätzende, andauernde emotionale Belastung.

In meinem Fall ging es häufig sehr emotional bei der Arbeit zu – was mit einem Chef, dessen Familie selbst zu der Community gehört, für die der Verein arbeitet, nur allzu verständlich ist. Eine gefühlsmäßige Abgrenzung war aber nur schwer machbar und mein Mitgefühl brachte mich in genau diese Lage, nicht mehr ausreichend auf mich selbst geachtet zu haben.   

 

2. Zu wenige Ressourcen – zu viel Arbeit

Ich habe während meiner Tätigkeiten in NPOs sehr oft erlebt, dass Mitarbeitende für viel zu große Arbeitspakete verantwortlich waren. Manchmal wurden Jobs auch gar nicht mehr nachbesetzt, weil die Arbeit einfach auf die anderen Teammitglieder verteilt wurde. Natürlich sollten Spendengelder sinnvoll und sparsam verwendet werden – doch viel zu häufig wird beim Personal gespart. Überstunden gehören in vielen Organisationen zum Alltag, ebenso wie All-In-Verträge.

Wenn man Tag für Tag mehrere Hüte auf hat, zehrt das sehr an den Kräften und führt dazu, dass man sich nicht mehr richtig auf seine Aufgaben konzentrieren kann. Je mehr Aufgaben und Verantwortung man hat und je weniger Unterstützung man dabei von Kolleg*innen bekommt, desto eher wird man sich fühlen, als könnte man eben nicht einfach mal Urlaub nehmen.

Außerdem findet man in vielen NPOs ineffiziente Prozesse, veraltete Systeme und mangelhafte Arbeitsressourcen. Das trägt zum Stresslevel bei und baut Frust auf – und hier sind wir auch schon beim Teufelskreis angekommen. Ausgebrannte Mitarbeitende kündigen, es wird entweder gar nicht nachbesetzt oder das Teamgefüge wird unruhig, der Druck auf die verbleibenden Mitarbeitenden steigt, was erneut zu Kündigungen führen kann. 

 

3. Schlechte Organisationskultur

Das Arbeitsumfeld bestimmt stark, wie man sich beim Arbeiten fühlt. Und die Organisationskultur bestimmt das Arbeitsumfeld. Mir ist in NPOs häufig die Einstellung begegnet, dass man hart arbeiten muss, um zu beweisen, wie engagiert man für die Sache ist. Meistens wurde das auch von den Führungspersonen so vorgelebt, die so gut wie immer im Stress waren und nur selten Zeit für ihre Mitarbeitenden hatten. 

Wer so beschäftigt ist, nimmt sich auch kaum Zeit für Feedback, Wertschätzung und Anerkennung. So entsteht immer wieder das Gefühl, als selbstverständlich wahrgenommen zu werden. Veränderungs- und Aufstiegschancen sind oft stark begrenzt und die Möglichkeiten, Arbeit flexibel zu gestalten, nicht besonders zahlreich. Besonders in über die Jahre festgefahrenen Strukturen, in denen lieber kontrolliert statt vertraut wird, ist das Thema New Work nicht gerne gesehen. 

 

Faktoren, die Burnout in NPOs begünstigen zusammengefasst

 

Medje Prahm identifiziert mehrere Faktoren, die ein Burnout begünstigen:

“Individuelle Faktoren:

  • Idealismus und Perfektionismus
  • Wunsch, es allen recht machen zu wollen
  • Gefühl, unersetzbar zu sein
  • Arbeit als zentraler Sinn und Ersatz für soziales Leben

Faktoren aus dem Arbeitsumfeld:

  • Zeitdruck und hohe Arbeitsanforderungen
  • viel Verantwortung
  • Mangel an Aufstiegsmöglichkeiten und positivem Feedback
  • Mangel an Ressourcen
  • schlechte Führung und unklare Verantwortungsbereiche”

 

Balkendiagramm Arbeitsunfähigkeit wegen Burnout (Häufigkeit)
Zahlreiche Menschen sind jährlich von Burnout betroffen.

 

 

 

 

Das können NPOs tun, um das Wohlergehen zu fördern

Wenn Mitarbeitende immer häufiger krank sind, eine hohe Personalfluktuation besteht und das Miteinander von Zeitdruck und Gereiztheit geprägt ist, sollte eine Organisation kurz innehalten und überlegen. Wo fördert die Kultur vielleicht aufopferndes Verhalten? Wie agiert das Führungspersonal, an dem sich andere orientieren? Wie flexibel sind die Arbeitsverhältnisse und finden individuelle Bedürfnisse darin Platz?

 

1. Organisationskultur verbessern

Solche Muster in der Organisationskultur sollten dann durch gesündere ersetzt werden. Hier sind alle gefragt, die Führungsverantwortung haben – denn sie können als Vorbilder fungieren und die gelebte Kultur organisch verändern.

Außerdem sollte man an einer konstruktiven und wertschätzenden Gesprächskultur arbeiten und Mitarbeitende nicht nur in ihrer Funktion, sondern als Menschen mit Privatleben und weiteren Verpflichtungen wahrnehmen. Konflikte sollten offen angesprochen und konstruktiv geklärt werden. Hier können z. B. Coachings oder Workshops helfen, das nötige Wissen zu vermitteln und zu sensibilisieren.

 

2. New Work integrieren

Außerdem ist New Work ein wichtiges Thema. Homeoffice, remote work und flexible Arbeitszeiten erlauben es den Mitarbeitenden, besser mit ihren multiplen Aufgaben zurechtzukommen. Hier sollten sich die Organisationen als Arbeitgeberinnen vom Prinzip der Kontrolle von Menschen trennen und lieber auf Vertrauen und Arbeitsergebnisse setzen. In Wahrheit ist es ja auch nur das, was letztlich zählt – nicht wann, wie oder wo die Arbeit erledigt wird.

 

3. Klare Verhältnisse schaffen

Regelmäßiges, wertschätzendes Feedback ist ein wichtiger Aspekt für die Zufriedenheit mit dem Job: natürlich von Vorgesetzten an Mitarbeitende, aber ebenso umgekehrt. Durch offene Feedbackgespräche weiß man, wo man steht und wie die eigene Arbeit wahrgenommen wird. 

Klare Verantwortlichkeiten sind weiters nicht nur gut für die Qualität und Geschwindigkeit, mit der Aufgaben erledigt werden, sondern tun auch der Seele gut. Es verhindert Missverständnisse und Überlastung und sorgt für ein konstruktives Arbeitsklima. 

 

4. Bewusstsein fördern

In meinem persönlichen Fall wusste ich zwar, dass ich gestresst bin und auf meinen letzten Kraftreserven laufe – aber so richtig bewusst hatte ich nicht, dass ich bereits krank war. Das mussten mir Menschen von außen sagen und zuerst wollte ich es gar nicht glauben. Organisationen können das Wissen rund um Burnout fördern und die Mitarbeitenden daran erinnern, wie wichtig Self-Care ist. Zum Beispiel können Workshops und Schulungen dazu angeboten werden. 

 

5. Mitarbeitende empowern

Engagierte Mitarbeitende sind ein großer Mehrwert für jede Organisation. Sie brauchen aber auch Möglichkeiten, ihre Ideen, Vorschläge und auch Kritik so anzubringen, dass sie gehört werden. Kaum etwas fühlt sich deprimierender an, als ständig zurückgewiesen zu werden und letztlich aus Frust zum “Dienst nach Vorschrift” überzugehen.

Ein Notizbuch, in dem "It's ok to say NO" stehtAußerdem sollten alle im Team die Möglichkeit haben, Grenzen setzen zu dürfen. Natürlich kann bei Bedarf gelegentlich danach gefragt werden, ob jemand länger bleiben kann oder ein zusätzliches Projekt übernimmt. Es sollte aber erstens nicht zur Regel werden und zweitens auch ok sein, wenn abgelehnt wird. Mitarbeitende dürfen und müssen manchmal Nein sagen!

 

 

Das kannst Du tun, um ein Burnout zu erkennen und zu verhindern

1. Symptome erkennen

Um zu verhindern, schwer an Burnout zu erkranken und um rechtzeitig gegensteuern zu können, ist es wichtig, die Anzeichen richtig zu deuten. Diese können aber von Person zu Person unterschiedlich sein, weshalb man im Zweifelsfall immer medizinischen Rat suchen sollte. 

Zu den häufigsten Symptomen von Burnout zählen:

  • häufige Kopfschmerzen
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Gedankenkreisen
  • Depression
  • Gereiztheit
  • Allgemeines Gefühl der Überforderung
  • Pessimismus
  • fehlende Motivation
  • sozialer Rückzug
  • Kraftlosigkeit
  • häufige Infektionskrankheiten

 

Ich persönlich litt am stärksten unter Gereiztheit und Konzentrationsschwierigkeiten. Ich wurde im Alltag fahrig, nervös und hatte häufig kleinere Unfälle aufgrund von Unachtsamkeit. Außerdem plagte mich ein durchgehender Tinnitus, der auch heute noch ein wichtiges Signal für mich ist, langsamer zu machen. 

 

2. Konsequenzen ziehen

Wer solche Symptome an sich wahrnimmt, tut gut daran, sich rasch Hilfe zu suchen. Das kann z. B. eine medikamentengestützte Therapie, ein längerer Krankenstand oder auch aktive Entspannung sein. Am besten tut man das alles gleichzeitig. Bei mir hat es vier Monate gedauert, bis ich wieder den Wunsch verspürte, mich meiner Arbeit zu widmen – bei anderen Menschen dauert die Erholungsphase auch mal bis zu einem Jahr. 

Jedenfalls sollte man sich eine Auszeit nehmen und die Gründe für die Erkrankung finden. Nur so können die Umstände verändert und ein Rückfall verhindert werden. Das kann bedeuten, seinen Tag anders zu strukturieren, häufigere Pausen zu machen oder letztlich sogar, ein toxisches Arbeitsumfeld zu verlassen.

 

3. Offen kommunizieren

Allein 2021 waren in Deutschland rund 194.000 Menschen von Burnout betroffen. Trotzdem fürchten sich immer noch viele davor, offen über das Thema zu reden. Einerseits sind psychische Erkrankungen immer noch anders bewertet und stigmatisiert als physische, andererseits muss man sich dafür eingestehen, die hohen Erwartungen, die man an sich selbst stellt, nicht erfüllen zu können. 

Ich bin davon überzeugt, dass Reden hilft. Meistens merkt man dann ganz schnell, dass man mit seinem Burnout nicht alleine ist – zumindest war es bei mir so. Viele Menschen haben meine Offenheit zum Anlass genommen, von ihrer eigenen Erfahrung mit der Erkrankung zu berichten. Der Austausch hat immer gut getan.

 

NPOs sollten mehr Wert auf das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden legen

Unsere Branche verlangt einiges von uns ab. Wir sollen motiviert und engagiert sein, für den Zweck brennen und mit knappen Ressourcen Wunder vollbringen. Meistens tun wir das gerne, denn ich kenne niemanden in einer NPO, dem der jeweilige Zweck nicht sehr am Herzen liegt. Das alles klappt aber nur in einem gesunden, wertschätzenden und verständnisvollen Umfeld, das den ganzen Menschen wahrnimmt und akzeptiert, dass es neben Arbeit auch noch andere wichtige Bereiche im Leben gibt.

Daher denke ich, dass es vor allem in unseren gerade sehr unsicheren Zeiten wichtig ist, dass sich Organisationen diesem Thema annehmen und auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen.

 

Arbeit sollte ein Teil von dem sein, was wir sind – aber nicht alles.

 

 

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