Gaming & Co für den guten Zweck: Charity Streaming für NPO #1

Wenn man so durch die Streams auf Twitch klickt, wird relativ schnell klar, worum sich beim Streaming alles dreht: Spaß und Unterhaltung. Es wird gespielt, gescherzt, gesungen, gekocht, gequatscht und geblödelt – die Inhalte sind dabei ebenso vielfältig wie die Streamenden selbst. Außerdem sind sie offen und zugänglich und so erhielt ich schon bald die ersten Interviewzusagen für diese Artikelserie. Ich wollte wissen, wie Streamer*innen ticken, was sie von Charity Events halten, wie Organisationen sich am besten an die Szene annähern und welche Möglichkeiten es zur Kooperation gibt. 

 

Wie passt Charity in den Streaming Spaß?

Spielen, Rumblödeln, Quatsch machen: Die Menschen vor den Kameras sind zwar sehr unterschiedlich, doch sie alle möchten ihre Communities unterhalten. Dafür lassen sie sich allerhand einfallen und so manchen könnte man ebensogut auf eine Comedy-Bühne stellen. “Das Fernsehen ist abgelöst worden durch die Plattformen Youtube und Twitch. Gerade die jüngeren Leute versammeln sich dort und kucken deren Lieblingsstreamer*innen zu”, erzählt Gino. Aber wie passt das zum guten Zweck? “Ich finde es immer schön, nicht nur hier zu sitzen und virtuell irgendeinen Quatsch zu machen, sondern auch mal den jüngeren Leuten zu zeigen, wie wichtig es ist anderen Menschen zu helfen. Gerade in der heutigen Zeit.” Und wenn er das macht, erreicht er eine ganze Menge Menschen – immerhin hat er auf Twitch über 72.000 Follower.

 

Screenshot von GinoCampino85 Kanal auf Twitch
GinoCampino85 spielt auf Twitch GTA Roleplay und setzt sich immer gerne für gute Zwecke ein.

 

Eine Plattform, tausende Möglichkeiten

Die Möglichkeiten, etwas für den guten Zweck zu tun, sind dabei quasi unbegrenzt. Da gibt es zum einen die wirklich großen Events, z. B. Friendly Fire. Einmal im Jahr organisiert das Kollektiv zahlreiche Aktionen, von Gaming über Kochen bis hin zum Haare schneiden. Das Event ist professionell durchgeplant und jedes Mal haben sie zwischen 50.000 und 140.000 Zuschauer*innen. Dabei sammeln die Streamer*innen beachtliche Mengen an Spenden ein: Zwischen 2015 und 2021 kamen 7 Mio. Euro zusammen. Doch diese großen Veranstaltungen sind eher die Ausnahmen. 

Viel häufiger gibt es kleinere Aktionen und Events, so wie das Streams4Dreams-Event, das der Turnier-Software-Hersteller ESportsBase dieses Jahr zum ersten Mal organisiert hat – ein Fortnite-Turnier: “Für uns war das ein allererster Versuch. Die Orga lief noch nicht so gut, wie wir uns das vorgestellt haben – aber wir haben daraus gelernt und es ist trotzdem bombenmäßig eingeschlagen. Die Leute waren sehr zufrieden und auch die Spendensumme war für ein erstes Mal sehr ok. Am Ende des Streams hatten wir 1.000 € gesammelt”, erzählt Bernard.

Gino ergänzt: “Es gab ja auch eine Teilnahmegebühr, die zu 100 % in den Spendenpool floss. So wussten alle, dass mit einer Teilnahme gleichzeitig auch gespendet wird. Das war ja das Schöne. Eine wundervolle Sache – ich hoffe, wir können noch einige solcher Dinge mehr machen!” Als zusätzlichen Spenden-Anreiz gab es außerdem Sachsponsoring von Unternehmen in Form von Tastaturen, Getränkeboxen, einer Grafikkarte u. ä. Abschließend wurden diese Sachen unter allen Spendenden verlost.

 

Es muss nicht immer ein großes Event sein

Außerdem gibt es noch viele weitere Formen, wie Streamer*innen den guten Zweck unterstützen. Balui, der auf Twitch knapp 64.000 Follower hat, erzählt zum Beispiel, dass ihm selbst die Organisation immer zu aufwändig war, er aber immer gerne andere Charity Streams unterstützt: “Wenn Kolleg*innen Charity Streams gemacht haben, habe ich mitgespielt und meinen Zuschauenden gesagt, sie sollen doch mal dorthin schauen und was spenden. Zum Beispiel wurde viel für die Ukraine gesammelt. Das ist einfacher, als wenn man alles selbst einbinden muss – das muss ja alles sauber sein – man will ja nichts Illegales machen.

 

Screenshot von Baluis Twitch Kanal
Balui streamt auf Twitch unterschiedliche Spiele, singt und hat eine treue Community.

 

Hier spricht Balui einen wichtigen Punkt an: Streamer*innen sind keine gemeinnützigen Vereine. Wenn sie also direkt von ihrer Community Geld bekommen, z. B. über Abos, müssen sie dieses ganz normal versteuern. Würden sie also auf diesem Weg Spenden sammeln, käme nur rund die Hälfte der Spendensumme wirklich bei der Organisation an. Deswegen sind technische Lösungen wie Spendenaktionen oder -formulare so wichtig, durch die das Geld direkt bei der Organisation landet, aber darauf gehe ich in einem späteren Artikel der Serie noch genauer ein.

Es sind auch nicht – wie man vielleicht glaubt – immer die großen, bekannten Organisationen, für die auf Twitch und Youtube gesammelt wird. Gino hat zum Beispiel einfach mal auf kurzem Dienstweg eine Spendenaktion für das kleine Tierheim seiner Heimatstadt gemacht: “Ich habe von heute auf morgen im Stream gesagt, passt auf Leute, hier ist ein Spendenlink – macht einfach mal. Das habe ich dann auch alle zehn Minuten im Chat gepostet und ein Video gezeigt, das ich vor Ort gedreht habe. Dadurch wussten die Leute, wohin das Geld geht. Nach eineinhalb Monaten haben wir 1.700€ gesammelt.

Charity Streaming kann also auch für kleinere und lokal arbeitende Organisationen sehr interessant sein. Das einzige, was es dafür braucht, ist Kontakt zu engagierten Streamer*innen.

 

Als NPO die Organisation übernehmen

Der Wille, seine Reichweite für etwas Gutes einzusetzen, ist bei vielen Streamer*innen vorhanden. Bloß allzu aufwändig sollte es eher nicht sein. Hier können NPO zum Beispiel mit der Bereitstellung von Spendenaktionstools, Spendenformularen oder anderen technischen Mitteln unterstützen. Oder sie übernehmen die Organisation des Charity Events, so wie es die UNO Flüchtlingshilfe am Weltflüchtlingstag 2022 gemacht hat:

Wir haben mit Content Creator*innen, Podcaster*innen und Musiker*innen zusammengearbeitet, die dann bei dem Streaming-Event aufgetreten sind, aber auch mit Geflüchteten selbst. Obwohl das Event nicht auf Spendenakquise ausgelegt war, konnten wir 15.000 € an Spenden generieren. In erster Linie ging es aber darum, den Weltflüchtlingstag bekannter zu machen und Geschichten zu erzählen. Wir hatten 350.000 Live-Zuschauer*innen”, erzählt Torben. 

Auch eine Kooperation mit einem Spiele-Hersteller aus Polen sind sie eingegangen: “Bei dem Spiel geht es darum, Zivilist*innen aus einem Kriegsgebiet zu retten. Über den Verkauf des Spiels haben wir Spenden erhalten.” Außerdem können Spenden auch durch Live-Auktionen, Merch-Verkauf und Sponsoring zustande kommen. 

 

„Man darf ja nicht vergessen, dass das für viele ihre reguläre Arbeit ist und dann einfach ein Tag Arbeitslohn wegfällt. Es geschieht also wirklich aus Überzeugung und der intrinsischen Motivation heraus, etwas Gutes zu tun, zu helfen und die eigene Reichweite sinnvoll zu nutzen.“ – Torben Dose, UNO-Flüchtlingshilfe

Charity-Gedanke wächst

Sowohl die Streamer*innen selbst, als auch ihre Communities sind keinesfalls Menschen, die sich für nichts außer Computerspiele interessieren. Viele von ihnen sind sehr aktiv und engagiert: “Nach meinen Erfahrungen unterstützen die Streamer*innen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, den Zweck wirklich. Für sie lohnt es sich, einen Tag mal nicht für sich selbst, sondern für die Charity zu sammeln. Man darf ja nicht vergessen, dass das für viele ihre reguläre Arbeit ist und dann einfach ein Tag Arbeitslohn wegfällt. Es geschieht also wirklich aus Überzeugung und der intrinsischen Motivation heraus, etwas Gutes zu tun, zu helfen und die eigene Reichweite sinnvoll zu nutzen”, sagt Torben über die Motivation seiner Kooperationspartner.

Auch Gino betont diesen Aspekt: “Vollzeit-Streamer*innen verdienen damit ihr Geld. Wenn sie jetzt Spenden für den guten Zweck sammeln, fehlt ihnen das in ihrer eigenen Tasche.

Mit Streamer*innen zu arbeiten ist also gar nicht so anders, als z. B. ein Charity Konzert zu organisieren. Auch da verzichten die Künstler*innen zugunsten des guten Zwecks auf ihr Honorar – das sollte man nicht vergessen, wenn man als NPO seine Fühler in der Szene ausstreckt. Das viele Streamer*innen gerne Gutes tun, zeigt sich auch im Entstehen von immer mehr gemeinnützigen Vereinen, die sich dem Charity Streaming widmen. Letsplay4Charity organisiert auf Fachmessen spannende Bühnenprogramme und Livestreams und spendet die Einnahmen an diverse Organisationen, CharityGamer sammelt durch Live-Streams Spenden, um die Wünsche von sterbenden Kindern und Jugendlichen zu erfüllen – nur zwei von vielen Beispielen.

 

Screenshot der Landingpage des Charity Events Streams4Dreams
Mit dem Charity Event Streams4Dreams sammelte die ESportsBase Spenden für das Ambulante Kinderhospiz München.

 

Unterhaltung für die gute Sache

Mein kurzes Reinschnuppern in die Streaming-Szene hat mir gezeigt, dass es in erster Linie um Unterhaltung und Community geht. Und das mit der guten Sache funktioniert, weil es viele engagierte Streamer*innen gibt, die treue Fans haben, denen sie die Sache ans Herz legen können. Wofür gesammelt wird, liegt vor allem an den Werten und Themen, die den Streamenden wichtig sind – sei es die UNO Flüchtlingshilfe oder das kleine Tierheim ums Eck. 

Charity Streaming ist also mit Sicherheit ein Bereich, den Fundraiser*innen sowohl von großen als auch kleinen Vereinen im Auge haben sollten. Hier tut sich viel und sofern man mit der richtigen Erwartung an die Sache rangeht, können Organisationen einen vielversprechenden, neuen Fundraising-Kanal erschließen.

 

Im nächsten Teil unserer Artikel Serie über Charity Streaming widmen wir uns der Frage, wie NPOs am besten in die Szene schnuppern und erste Schritte tun können und verraten ein paar Tipps von unseren Interviewpartnern.

 

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