Gute Spende - schlechte Spende: Sollte eine NPO jede Spende annehmen?

Je nach Betätigungsfeld einer Organisation kann es vorkommen, dass Spenden von bestimmten Personen, Unternehmen oder Institutionen Interessenkonflikte erzeugen. Der Umgang mit solchen Konflikten ist jedoch sehr unterschiedlich. Während manche Organisationen sich nach dem Motto “Solange das Geld bei uns Gutes tut, ist seine Herkunft egal” keine Gedanken über dieses Thema machen, haben andere strenge Richtlinien zur Spendenannahme erarbeitet. Drei dieser Organisationen habe ich für diesen Artikel zu ihren Compliance- und Ethik-Richtlinien befragt: Greenpeace, BUND und CARE.

 

Ethik und Werte

Die Arbeit von NPO richtet sich nach Werten und ethischen Grundsätzen aus. Da ist es nur natürlich, dass diese moralischen Eckpfeiler auch im Spendenwesen angewendet werden. So schreibt CARE auf meine Anfrage: „Als humanitäre Organisation müssen wir sichergehen, dass die uns zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht aus Quellen kommen, die Menschen schaden.“

In der Vergangenheit ist es daher bei ganz unterschiedlichen Organisationen schon öfters dazu gekommen, dass Spenden zurückgewiesen wurden. 2016 hat zum Beispiel die deutsche Heilsarmee eine Spende zurückgewiesen, die mit einem fremdenfeindlichen Verwendungszweck überwiesen wurde. Dies hat sie offen über soziale Medien kommuniziert und ihre Entscheidung damit begründet, dass sie für alle hilfsbedürftigen Menschen da ist. 2017 spendete ein AfD-Politiker an die Sonnenberger Tafel, die die Spende ebenfalls ablehnte. Das Bündnis Aktion Deutschland Hilft lehnte 2021 eine Spende für die Flutopfer ab, die vom Waffenhersteller Heckler & Koch kam

Das Thema ist durchaus kontrovers und egal welche Entscheidung man trifft, es gibt Nachteile. Handelt man nach seinen Organisationswerten, müssen Gelder von problematischen Spender*innen abgewiesen werden, womit man aber auf vermutlich dringend benötigte Mittel verzichtet. Verwendet man die Spende zweckwidrig, verstößt das gegen steuerrechtliche Bestimmungen und lässt man zu, dass Firmen oder Parteien, die der eigenen Mission zuwiderlaufen, sich mit ihrer Spende profilieren, kann das dem eigenen Image schaden. 

 

Holzschilder mit den Worten Ethics, Accountability, Principles, Integrity und Values vor einem bewölkten Himmel

 

Unabhängigkeit, Ruf und Glaubwürdigkeit

Beim Thema Spendenannahme geht es aber nicht nur um ethische Fragen, sondern auch um die eigene Unabhängigkeit. Greenpeace Deutschland schreibt mir dazu: “Greenpeace akzeptiert grundsätzlich keine Spenden von Unternehmen, Parteien, parteinahen Stiftungen und keine staatliche Unterstützung. Wir tun dies aus Gründen der Unabhängigkeit. In unserer Arbeit zum Schutz des Klimas, der Umwelt, der Biodiversität – also unserer aller Lebensgrundlagen – wollen wir uns die Freiheit bewahren, uns mit staatlichen Institutionen, Politikern und Konzernen in die Konfrontation zu begeben und keine Kompromisse bei unseren Forderungen eingehen zu müssen. Darüber hinaus nehmen wir keine Spenden an, die an mit unseren Zielen und unserer Arbeit unvereinbare Bedingungen geknüpft werden.” 

Das klingt logisch. Eine Organisation, zu deren Großspendenden Ölkonzerne und Politiker gehören, ist in ihren Kampagnen-Entscheidungen und strategischen Überlegungen nicht mehr frei. Spenden können also zu Interessenkonflikten führen, die die Arbeit und den Erfolg der Organisationen gefährden. Zudem kommuniziert Greenpeace seine Spendenrichtlinien ganz aktiv und macht die dadurch gesicherte Unabhängigkeit sogar zu einer Stärke und zu einem Teil der Organisations-Identität: “Besonders die Richtlinie zum Umgang mit Unternehmensspenden wird aktiv kommuniziert. Wir sehen das als ein Merkmal, das Greenpeace auszeichnet.

Der BUND schreibt auf seiner Website: “Für die Zusammenarbeit mit Unternehmen unterliegt der BUND einer Selbstverpflichtung. Jede Spende wird geprüft. Auf der Basis unserer Leitlinien nehmen wir aus einigen Branchen grundsätzlich keine Spenden an. Dazu zählen Firmen aus der Rüstungs-, Auto-, Chemie- und Atomindustrie sowie Tabakfirmen und Großbanken.” Zu Spenden von Firmen aus anderen Branchen betont die Organisation weiters, dass diese “(…) an keinerlei Rechte, Pflichten oder Absprachen geknüpft (…)” sind. Daraus ergibt sich ebenfalls der zugrundeliegende Wunsch nach Unabhängigkeit und dem Befolgen der Unternehmenswerte, selbst wenn der BUND im Vergleich zu Greenpeace nur Spenden aus bestimmten Branchen ablehnt. 

Neben der Unabhängigkeit ist auch der Ruf der Organisation ein Aspekt, der bei der Entscheidung eine Spende anzunehmen oder abzulehnen bedacht werden sollte. Image und Reputation sind immerhin wichtige Faktoren im Fundraising. CARE legt großen Wert darauf, seine Werte zu wahren: „Für uns sind ethische Gründe zentral. Wir achten darauf, nur Spenden anzunehmen, die wir guten Gewissens annehmen können – nicht zuletzt natürlich auch aus Reputationsgründen.“

 

Herausforderungen in der Praxis 

Das, was in theoretische Richtlinien gegossen wird, in der Praxis umzusetzen, ist eine ganz eigene Herausforderung. 

 

Wann wird eine Spende geprüft?

Im Zweifelsfall muss jede eingehende Spende überprüft werden, was in großen Organisationen viel Arbeit macht. Um diese Prüfungen in einem vernünftigen Rahmen stattfinden zu lassen, beschließen viele Organisationen einen konkreten Spendenbetrag, ab dem genauer hingesehen wird: „Zur Identifikation von Unternehmensspenden schreibt unsere internationale Policy eine Prüfung ab 5.000.- Euro vor. Greenpeace Deutschland checkt jedoch bereits alle erkennbaren Firmenspenden ab 1.000.- Euro und wo immer es uns auffällt auch bei kleineren Beträgen”, schreibt Greenpeace.

Bei CARE ist dieser Betrag höher angesetzt: „Es gehört zu unserem gewohnten Arbeitsprozess, Unternehmen, die Spenden ab 10.000.- Euro an CARE leisten, mit einem umfangreichen Due Diligence-Prozess zu prüfen.” Eine einheitliche Best-Practice-Regelung gibt es nicht – wo Organisationen die Grenze setzen, ist ihnen selbst überlassen. 

Ebenso unterschiedlich ist es, welche Unternehmen spenden dürfen und welche nicht. Spenden, die von Unternehmen kommen, die nicht zu CARE‘s Wertesystem passen, werden abgelehnt – das kann Unternehmen aus allen Branchen betreffen. Greenpeace nimmt ganz generell keine Gelder von Unternehmen an: “Bei dem Abweisen von Unternehmensspenden geht es Greenpeace nicht nur um größere Konzerne. Wir wollen hier möglichst konsequent sein, denn das Erstellen von klaren Kriterien bzw. eine Abwägung, welche Spende nehmen wir an und welche nicht, ist einfach schwer zu leisten und oft subjektiv.

Zwei Personen, die eine Statistik auf einem Tablet ansehen
Damit keine Spende „durchrutscht“, muss genau geprüft werden

Strenge und generalisierte Richtlinien haben also durchaus den Vorteil, ganz klare Handlungsanleitungen und Entscheidungshilfen zu bieten. Sie können aber auch dazu führen, prinzipiell unbedenkliche Spenden ablehnen zu müssen: “In einigen Fällen ist es wirklich schade und sicher auch enttäuschend für die Spendenden – zum Beispiel Spenden einer selbstständigen Hebamme, eines umweltbewussten Steuerberaters oder eines sehr engagierten Zahnarztes”, so Greenpeace. Was in ihrem Fall aber dank zahlreicher privater Spendender gut funktioniert und sogar dazu beiträgt, die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der Organisation zu stärken, muss bei anderen Organisationen aber nicht so sein. Warum sollte man zum Beispiel alle Firmenspenden ablehnen, wenn man als Organisation krebskranken Kindern hilft? 

 

Wer trifft die Entscheidungen?

Sofern es keine so strengen Regeln gibt wie bei Greenpeace, sollte in der Organisation geklärt sein, wer im Zweifelsfall über die Annahme oder Ablehnung der Spende entscheidet. Im Prüfungsprozess von CARE wird zunächst anhand von klaren Richtlinien eine umfassende schriftliche Prüfung durchgeführt. Anschließend müssen auf Grundlage der Prüfung verschiedene Akteure bei CARE der Annahme der Spende zustimmen.: “Dieser interne Prüfprozess umfasst dann auch die Einbindung unserer Abteilungsleitungen und unseres Vorstandes, sodass hier verschiedene Akteure bei CARE ein Votum abgeben müssen.

Der Vorteil beim Vorgehen von CARE liegt auf der Hand: Es werden treffsichere, weil individuelle, Entscheidungen getroffen und die von Greenpeace erwähnte Hebamme kann den guten Zweck unterstützen. Allerdings gibt es auch einen Nachteil: Die individuellen Entscheidungen kosten wertvolle Arbeitszeit mehrerer Mitarbeitender. 

 

Spenden von Privatpersonen

Soviel zu Unternehmensspenden, die vergleichsweise einfach zu identifizieren sind. Aber wie soll man bei Spenden von Privatpersonen vorgehen? Es ist schlicht nicht möglich und auch nicht zielführend, alle Spendenden auf ihre Werte und Einstellungen zu durchleuchten. Man kann sich hier also nur auf bekannte Personen aus dem öffentlichen Leben beschränken. Doch wer in den Fundraising-Abteilungen der Organisationen kennt schon jede*n CEO oder Abteilungsleitenden aus problematischen Firmen? Oder unbekannte Parteifunktionäre? Der AfD-Politiker, dessen Spende von der Sonnenberger Tafel abgelehnt wurde, konnte nur aufgrund eines beigelegten Briefes mit dem AfD-Logo identifiziert werden. Im Fall der Heilsarmee verriet der Spendenzweck die rechte Gesinnung des Spendenden. 

Allein aufgrund dieser Identifikationsschwierigkeiten denke ich, dass es hier keine allgemeinen Richtlinien geben kann. Richtlinien zur Spendenannahme sollten sich also auf das konzentrieren, was erfahr- und prüfbar ist: Unternehmen und Stiftungen.

 

Vor- und Nachteile von Richtlinien zur Spendenannahme

Klare Richtlinien “(…) bringen Vorteile, da sie uns klare und gute Entscheidungsgrundlagen geben, eine Spende anzunehmen oder nicht”, schreibt CARE. Es schadet also keiner NPO, sich bereits vor dem Eintreffen einer potentiell problematischen Spende Gedanken über dieses Thema zu machen. Welche möglichen Geber*innen könnten der Organisation ihre Unabhängigkeit kosten oder die Reputation und Glaubwürdigkeit beschädigen? Welche Werte vertritt die Organisation und welche Unternehmen, Stiftungen und Menschen entsprechen diesen Werten nicht?

Der Mehrwert von klaren und offen kommunizierten Richtlinien ist auch nicht zu unterschätzen: “Wir machen die Erfahrung, dass das Vorbringen klarer Argumente hinsichtlich unserer Unabhängigkeit sehr positiv aufgenommen wird”, schreibt mir Greenpeace. 

Der ganz klare Nachteil davon, Spenden abzulehnen, ist natürlich der finanzielle Aspekt. Man verzichtet auf Gelder, die für die gute Sache eingesetzt werden können. Doch sieht man mal genauer hin, kommt das gar nicht allzu oft vor. Bei CARE wird etwa einmal alle drei Jahre eine Spende nicht angenommen, bei Greenpeace ist es im Bereich größerer Spenden (ab 1.000 Euro) ca. eine pro Monat – wobei hier natürlich beachtet werden muss, dass Greenpeace durch seinen hohen Bekanntheitsgrad auch mehr Angebote von Unternehmen erhält. 

 

Es kann große Vorteile haben, bestimmte Spenden nicht anzunehmen

Manche Spenden nicht anzunehmen, kann für eine NPO Vorteile haben, die den finanziellen Verlust mehr als ausgleichen. So ist ein unbefleckter Ruf, uneingeschränkte Unabhängigkeit und hohe Glaubwürdigkeit ebenfalls sehr viel Wert – vielleicht sogar mehr als eine einzelne Spende. Ich glaube, es tut jeder Organisation gut, hier klare Richtlinien festzulegen.

 

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